wir telefonieren: er ist traurig, müde vom alltag und der situation, und ich erzähle ihm von meinem entzundenen zahnfleisch, eigentlich nur um auf den dadurch entdeckten grandiosen, süchtig-machenden zahnfleischspray überzugehen, doch er unterbricht mich, fragt besorgt nach, hast du schmerzen, ja, sag ich, schon seit samstag, es macht mich langsam ganz verrückt im kopf, zuerst die angst vor wurzelentzündung, abgefaultem zahn, dann die erleichterung, doch nur zahnfleischentzündung, gutes gefühl für ein paar stunden, aber die schmerzen haben nicht nachgelassen, dröhnen leise vor sich hin im unterkiefer. er macht sich sorgen, du arme, kann ich was tun, nein, sage ich, lachend, eigentlich wollt ich von diesem genialen spray erzählen, weisst du... wir schweigen. im bauch steigt ein dumpfes gefühl auf, irgendwas ist jetzt falsch, was nur. hoffentlich wirst du bald gesund, sagt er, in nürnberg gings dir ja auch nicht so gut - ich unterbreche, ach, es ist ja gar nix, aber du, du musst dir immer anhören wie ich jammere, es tut mir leid, immer ist irgendwas kaputt bei mir... ich übertreibe maßlos, um mich zu entschuldigen für dinge, an denen ich nicht schuld bin, um zu hören, dass er mich trotzdem, aber bitte nicht gerade deswegen, liebt. und in wahrheit bin ich ganz selten krank oder kaputt, eigentlich, und ich hoffe, das von ihm zu hören. er aber tröstet weiter mein zahnfleisch, bald verabschieden wir uns, es ist schon spät, das telefonat ohnehin schon zu lang.

flaues gefühl im magen nachher, ungut, als wären wir in die falsche richtung abgebogen. ich hatte ja nur mit dem zahnfleisch angefangen, weil er mir traurig vorkam, und ich weiss, dass er immer lachen muss, wenn ich neue dinge für mich entdecke, so wie den zahnfleischspray, er lacht über meine kindliche begeisterung, ich wollte ihn ablenken dadurch, aufmuntern, der zahnfleischspray ist mir in wahrheit völlig egal. es ist ganz schön schwer, sich über eine strecke von 500 km zu umarmen.

da zieht sich mein magen zusammen und mein zahnfleisch obendrein, so schmerzt allein das lesen der situation...
diese momente, wo man nachdem man aufgelegt hat, den stuhl auf dem man sass nicht verlassen kann, die sitzposition nicht ändern kann, nur starren, luftanhalten, wissend, das selbst ein nochmaliger anruf die stimmung nicht mehr ändern kann.
nur ein neuer tag.