am 1. april, ihrem 84. geburtstag, hat meine oma beschlossen, jetzt sterben zu wollen.
also stand sie morgens einfach nicht mehr auf. wartete, bis ihre drei töchter sich um ihr bett versammelten, verlangte nach weihwasser (bereits in einer glasflasche unter ihrem bett gehortet, wie ihre töchter herausfanden), geweihten kerzen (schon in der nachtkästchenschublade vorbereitet) und einem rosenkranz. ein kreuz wurde aufgestellt, ihre töchter mussten mit ihr beten. so ging das ein paar tage lang.
nachts musste immer eine ihrer töchter neben ihr im ehebett schlafen - opa ist schon ein bisschen länger tot - und wenn oma nicht schlafen konnte, wollte sie zwischendurch mal essen (um 4 uhr früh, zum beispiel, geriebenen apfel in milch, den sie dann doch nicht wollte, den aber ihre tochter essen musste, man darf ja nichts wegschmeissen! während sie sich an wurstbrote hielt). tagsüber jammerte sie über schmerzen, verteilte ihre besitztümer immer wieder neu, dachte über sargträger nach. dazwischen wurde der todesfall geprobt: kerzen und kreuz aufgestellt, oma mit verschränkten armen, geschlossenen augen auf dem rücken liegend, blinzelnd ob auch alle töchter brav mitbeteten.
am abend bevor der papst starb, wurden ihr die gebete zu viel, sie scheuchte die töchter in die küche, wo sie weiterbeten sollten.
die töchter, nach tagelangen todesproben völlig fertig,
beschlossen, lieber eine flasche wein zu trinken.
dann starb der papst.
oma, beleidigt weil der papst sie nicht "mit in den himmel" genommen hatte, verlangte, sofort ins krankenhaus transportiert zu weden. und zwar in ihr lieblingskrankenhaus, sie hatte auch ein bestimmtes bett im auge.
gestern hab ich sie besucht.
ihre beine seien so schwer, eigentlich schon tot, erklärte sie mir ernsthaft. dann musste ich ihre fingernägel schneiden - mit dem ergebnis war sie nicht sehr zufrieden, sie hat selbst noch ein bisschen nachgefeilt.
mit blitzenden augen und zu berge stehenden weißen haaren erzählte sie dann, dass ihre nachbarin dagewesen wäre. und dass sie jetzt von all den krankheiten und todesfällen, behinderten kindern, geschiedenen ehen und verkehrsunfällen im heimatdorf bescheid wisse.
und dass sie jetzt, wo der papst sie nicht mitgenommen hatte, doch noch ein bisserl bleiben wolle. und dass sie - strenger blick auf mich - ja doch noch uroma werden wolle.
dann wollte sie noch ein bisschen mit olivenölsalbe eingecremt werden. dann wurde ich entlassen.

die kugeloma.

meine wunderbare uroma hat ja um ihren 65. geburtstag begonnen sich und die familie auf ihren tod vorzubereiten. beinahe jeden tag hörten wir "bold werd i sterbn"
... 3 monate vor ihrem 100er war es dann soweit.

Klasse, sehr schön! Weiterhin alles Gute der Kugeloma!