tiefseefisch
Sonntag, 6. März 2005

gegen 9 uhr morgens besuche ich meinen großvater. er sitzt auf der couch und lächelt, geistesabwesend. wir lösen ein kreuzworträtsel gemeinsam, aber ihm fallen immer wieder die augen zu. er will sich partout nicht hinlegen, erst als ich selber vorgebe, müde zu sein und mich auf die andere couchhälfte lege, legt er sich auch hin und schläft sofort ein.
gegen 11 wecke ich ihn auf, komm opa, sie warten mit dem mittagessen auf uns. er geht ins bad, gesicht waschen, kommt zurück, ich halte ihm die jacke hin, er schlüpft umständlich hinein, lässt sich auch dazu überreden, die schuhe anzuziehen, den hut aufzusetzen, dann gehen wir hinaus.
brrr, kalt, sagt er, und dreht wieder um. nein, opa, komm wir gehen, heute gibt es schnitzel. statt nach links zur strasse geht er nach rechts, in die garage, ich folge ihm.
komm wir gehen, opa, du hast doch hunger?
ja eh, sagt er, und geht wieder ins haus, setzt sich an den küchentisch und lacht.
komm opa, sie warten auf uns.
ja ich geh ja schon, sagt er, und bleibt sitzen.
er nimmt den hut ab, ich setz ihn ihm wieder auf, er nimmt ihn wieder ab, ich setz ihn ihm wieder auf, er knallt mit beiden fäusten auf den tisch und kichert.
magst du nicht, opa?
ich hab hunger, sagt er.
das telefon läutet, meine mutter ist dran, sie wartet im nachbarhaus mit dem essen. opa lauscht kurz ihren aufmunterungen, jaja, sagt er, jaja.
wieder schaffen wir es bis zur haustür. ich hänge mich bei ihm ein, es ist glatt, opa, du musst aufpassen. ja eh, und so kalt, sagt er, und zieht mich auf die schneebedeckte terrasse, wo wir ein bisschen in die gegend starren.
wollen wir gehen jetzt?
jaja, sagt er, wirft seinen hut in den schnee, rüttelt an der von mir eben versperrten haustür und schaut mich empört an.
ich gebe auf, öffne die tür, er setzt sich wieder an den küchentisch und stützt den kopf in die hände.
ich hab hunger, sagt er.
ich streiche ihm hilflos über die hand.
10 min später kommt mein vater und holt uns ab. opa zockelt brav mit, ich stolpere hinterher.

am mittagstisch schneide ich sein schnitzel in mundgerechte stücke, er isst brav. ein schlechter tag heute, scheint es, er dürfte wenig geschlafen haben und die verwirrung ist wieder sehr stark da. er redet nicht, der rest der familie versucht, mit der situation umzugehen, tapfer ein gespräch aufrechtzuhalten, normalität aufzubauen, das sei wichtig, hat der arzt gesagt, normalität und geregelte tagesabläufe.

beim nachtisch hebt opa plötzlich den kopf, schaut mich an, und sagt: du wolltest heute ja überhaupt nicht aus dem haus gehen, und ich war schon so hungrig! ein wahnsinn mit dir.

und kichert.
und dann fallen ihm wieder die augen zu.

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